Zinn
Jeder kennt die berühmten historischen Zinnfiguren oder kunstvoll gefertigten Teller und Krüge aus Zinn. Doch das Basismetall Zinn ist vielseitig einsetzbar und auch heute noch allgegenwärtig: Vor allem als Weißblech (verzinntes Eisenblech) und als Legierungsmetall. Die Legierung aus Kupfer und Zinn heißt Bronze. Deren Entdeckung und Verwendung war historisch so bedeutend, dass sie ein ganzes Zeitalter – die Bronzezeit – prägte.
Mit der Entdeckung von Bronze brach eine neue Ära an. Zinn wurde zum begehrten Rohstoff, denn Bronze verbreitete sich rasch als Material zur Herstellung von Waffen, Schmuck und Gebrauchsgegenständen aller Art. Waffen aus Bronze waren härter und korrosionsbeständiger als bis dahin gebräuchlichen Waffen aus Stein oder Kupfer und waren daher dementsprechend begehrt. Die Nachfrage nach Zinn stieg, doch teilweise musste es von weit her eingeführt werden. Es entstanden ausgedehnte Handelsrouten und komplexe Handelssysteme. Nachdem sich später Eisen als Waffenmetall durchgesetzt und Bronze verdrängt hatte, wurde Zinn überwiegend in Gebrauchsgegenständen verwendet, zum Beispiel Zinnkrügen und -tellern. Als Zinn-Bleilegierung wurde es zu Orgelpfeifen in Kirchen gefertigt. Industrielle Bedeutung erlangte es mit dem Beginn der Weißblechherstellung seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
Zinn ist ein relativ häufiges Element, dessen Anteil am Aufbau der Erdkruste bei ca. 0,003 Gewichtsprozent liegt. Das Metall ist zumindest in geringer Konzentration allgemein verbreitet, tritt aber nur in selten gediegen auf. Die größte wirtschaftliche Bedeutung hat das Zinn-Mineral Zinnstein, auch Kassiterit genannt, bei dem es ich um Zinndioxid handelt. Seine wichtigsten Vorkommen findet man in China, Indonesien, Brasilien und Bolivien. Neben Zinnstein ist auch das Zinn-Mineral Stannit (Zinnkies) von wirtschaftlichem Interesse.
Zinn ist ein weiches, silbrig glänzendes Metall. Wird Zinn verbogen, gibt es ein charakteristisches Geräusch, das als „Zinngeschrei“ bekannt ist. An Luft und in Wasser ist das Metall unter Normalbedingungen sehr beständig, da es durch eine schützende Oxidschicht passiviert wird. Auch von verdünnten Säuren und Basen wird es nicht angegriffen. Dagegen wird es von konzentrierten Säuren und Basen unter Freisetzung von Wasserstoffgas zersetzt. Entsprechend seiner Elektronenkonfiguration kann Zinn die Oxidationszustände +2 und +4 annehmen. Wichtige Zinnverbindungen sind: Zinnwasserstoff, Zinn(II)-chlorid, Zinn(IV)-chlorid, Zinn(II)-oxid, Zinn(IV)-oxid, Zinn(II)-hydroxid und Zinn(II)-sulfid.
Das wirtschaftlich bedeutendste Zinnmineral ist das sehr stabile Kassiterit (SnO2), auch Zinnstein genannt. Auch das Sulfidmineral Stannit (Cu2FeSnS4) wird für die Zinnproduktion verwendet. Häufig kommt Zinn vergesellschaftet mit Arsen, Wolfram, Bismut, Silber, Zink, Kupfer und Lithium vor. Zunächst wird das Erz zerkleinert und dann durch verschiedene Verfahren (Aufschlämmen, elektrische/magnetische Scheidung) angereichert. Nach der Reduktion mit Kohlenstoff wird das Zinn knapp über seine Schmelztemperatur erhitzt, so dass es ohne höher schmelzende Verunreinigungen abfließen kann. Neben den Primärerzen kommt ein großer Teil der Zinnproduktion auch aus sekundären Seifenlagerstätten. Zinnerzseifen werden oberflächlich im Tagebau gewonnen und mit einfachen Verfahren der Dichtesortierung (Setzrinnen, Setzmaschinen, Herde) mit anschließender Magnetscheidung konzentriert.
Früher wurden viele Haushaltsgegenstände, Geschirre, Tuben, Dosen und auch die bekannten Zinnfiguren aus Zinn gefertigt. Heute ist Zinn von einem Schmuckmetall zu einem multifunktionalen Industriemetall geworden. Es findet Einsatz in der elektronischen und chemischen Industrie und wird häufig zur Herstellung von Lötzinn, Bronze, Floatglas und Weißblech verwendet, beispielsweise für Konservendosen oder Backformen. Zu dünner Folie gewalzt nennt man Weißblech auch Stanniol. Reines Zinnblech wird seit Jahrhunderten großflächig zur Herstellung von Orgelpfeifen im Sichtbereich verwendet. Diese behalten ihre silbrige Farbe über viele Jahrzehnte. Das weiche Metall wird in der Regel in einer Legierung mit Blei, dem so genannten Orgelmetall verwendet und hat für die Klangentfaltung sehr gute vibrationsdämpfende Eigenschaften. Als Legierungsbestandteil wird Zinn mit Kupfer zu Bronze oder mit anderen Werkstoffen verbunden. “Nordic Gold”, die Legierung der goldfarbigen Euromünzen, beinhaltet unter anderem 1 % Zinn.
Laut der von der International Tin Association (ITA) durchgeführten jährlichen Erhebung zum Zinnverbrauch lag der weltweite Verbrauch von raffiniertem Zinn bei 372.000 Tonnen im Jahr 2018. Der mit Abstand größte Anteil entfällt auf Lötzinn. Der weltweite Zinnverbrauch, einschließlich raffinierter und nicht raffinierter Formen, belief sich 2018 auf 455.600 Tonnen. Der Anteil des recycelten Zinns am gesamten Zinnverbrauch, liegt demnach bei 32%. Der weltweite Lagerbestand beträgt rund 28.000 Tonnen.
Zinn ist in seiner reinen anorganischen metallischen Form ungiftig. Es wird vom menschlichen Körper kaum aufgenommen und so gut wie vollständig unverändert ausgeschieden. Eine erhöhte Zinn-Aufnahme ist zum Beispiel möglich, wenn Konservendosen aus unlackiertem Weißblech mehrere Tage geöffnet sind. Dann wird das Spurenelement in Verbindung mit Sauerstoff schnell an den Doseninhalt abgegeben, insbesondere bei saurem Inhalt. Eine zu hohe Aufnahme in den Körper kann sich durch Unverträglichkeitssymptomen im Magen-Darm-Trakt äußern. Die Gefahr, hohe Konzentrationen an Zinn aufzunehmen, ist in der Regel jedoch sehr gering, da deutsche Hersteller überwiegend Konservendosen mit einer Innenbeschichtung oder -lackierung verwenden.
Die Hauptquellen von Zinnaltschrotten sind Altfahrzeuge, Maschinen, Elektroschrott, die Güterausstattung in Gebäuden und Schrotte aus dem Rückbau von Stromerzeugungsanlagen. Stückige Zinnschrotte, wie Lager aus Maschinen oder Zinnteller, können direkt wieder eingeschmolzen werden. Ein Recycling von Zinn aus Platinen findet nach Aufbereitung in integrierten Sekundärschmelzbetrieben statt. Die Recyclingquote von Weißblech in Deutschland ist hoch. Eine Rückgewinnung von Zinn aus Weißblech ist ebenfalls möglich, wird aber aufgrund des relativ hohen Aufwands bei zunehmend geringer werdenden Zinnanteilen im Weißblech nicht mehr praktiziert. Aus Weißblechschrotten, die eine Müllverbrennungsanlage durchlaufen, ist technisch und wirtschaftlich keine Gewinnung von Zinn möglich.
Links
International Tin Association Ltd